Der Gemeindebrief für Februar und März liegt sicher bereits bei Ihnen im Briefkasten. Er ist nun auch online verfügbar. Wie gewohnt, lesen Sie hier das Vorwort von Pfarrerin Dr. Katrin Hildenbrand.
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn Sie diesen Gemeindebrief in den Händen halten, befinden wir uns mitten in den wilden Fastnachtstagen. Danach beginnt die Passionszeit, in der wir auf Karfreitag und Ostern zugehen. Vom Aschermittwoch an bereiten wir uns an 40 Tagen und sechs Sonntagen auf das Leiden Christi vor. Ihren Namen verdankt diese Zeit denn auch dem lateinischen Wort passio. Dieses Jahr umfasst die Passionszeit den Zeitraum vom 10. Februar bis zum 27. März 2016 (Ostersonntag).
Ein anderes Wort für die knapp sieben Wochen ab Aschermittwoch ist der Begriff Fastenzeit. Darin stecken die Erfahrungen vom Fasten und vom Rückzug, die wir aus den biblischen Geschichten kennen. Mose beispielsweise fastet auf dem Berg Sinai, bevor Gott ihm die zehn Gebote offenbart. Auch Jesus zieht sich in die Wüste zurück, um zu fasten. Der Verzicht auf äußere Einflüsse hilft bei der Gottesbegegnung und setzt etwas frei. Immer wieder begegnet in diesem Zusammenhang auch die symbolische Zahl 40, die als idealer Zeitraum für Lebenswende und Neubeginn gelesen werden kann.
Für die Fastenzeit gab es früher strenge Regeln, zum Beispiel Speiseverbote. Schon immer waren Menschen hier aber erfinderisch. So besagt eine Legende, dass die Maultaschen von findigen Mönchen erfunden wurden, um das Fleisch in der Fastenzeit vor Gott zu verstecken (daher auch der schöne Name „Herrgottsbescheißerle“). Ob das funktioniert, sei dahingestellt…
Martin Luther stand der Fastenzeit dagegen kritisch gegenüber. Dass wir keine äußerlichen Opfer bringen müssen, um Gott zu gefallen, ist schließlich eine der zentralen reformatorischen Erkenntnisse. Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts machten daher die Passionszeit stark, als eine Zeit der Buße und der Vorbereitung auf die Geschehnisse rund um Ostern. Im letzten Jahrzehnt hat die Fastenzeit aber auch in der evangelischen Kirche wieder mehr an Bedeutung gewonnen. Mir ist sie in den letzten Jahren als besondere Zeit zunehmend wichtiger geworden. Wie kann eine solche Fastenzeit im 21. Jahrhundert aussehen?
Das Wort Fasten stammt vom althochdt. fasti (fest, stark, beständig). Fasten bedeutet also so etwas wie „fest bleiben“. Für mich hat es nichts damit zu tun, sich irgendwelche äußeren Verbote aufzuerlegen. Ich verstehe Fasten eher umfassend: Körper und Seele wieder miteinander in Verbindung bringen. Wenn wir das versuchen, merken wir erst, wie oft wir uns sinnlos betäuben – mit allen möglichen Ablenkungen des Alltags. Sich damit auseinandersetzen, ist anstrengend. Wenn ich etwas weglasse, tut sich vielleicht eine Leere auf.
Die Fastenzeit will ich als Möglichkeit sehen, dem echten Leben auf der Spur zu sein: Unsere großen und kleinen Sehnsüchte aufspüren. Und sie aushalten. Was nimmt mich gefangen? Was brauche ich wirklich im Leben? Wonach hungere ich? Was hindert mich am Leben?
Das sind Fragen, die ich für diese kommenden Wochen mitnehmen und in meinem Alltag bedenken möchte. Was das für ein konkretes Fastenvorhaben bedeuten kann, muss jede und jeder für sich selbst entscheiden. Es kann, muss aber nicht unbedingt etwas mit Entbehrung zu tun haben. Manchmal tut auch ein „Mehr“ an etwas gut. Ein Mehr an Zeit für mich. Ein Mehr an Zeit für Gott. Ein Mehr an Mut. Ein Mehr an Hoffnung.
„Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur so selten dazu“ (Ödön von Horvath)
Ich selbst nehme seit einigen Jahren an der Fastenaktion des Vereins „Andere Zeiten“ in Hamburg teil (www.anderezeiten.de). Sie steht unter dem Motto „Sieben Wochen anders leben“. Ich finde das ein verheißungsvolles Versprechen: Wir sind eingeladen, anders zu sein – etwas, zu dem wir sonst nur selten kommen. Aber anders als bei den Neujahrsvorsätzen, wo wir uns ja immer vornehmen, gleich unser ganzes Leben umzukrempeln, läuft das hier erstmal „nur“ sieben Wochen. Sozusagen auf Probe. Wer bei der Aktion mitmacht, die auf der Homepage von „Andere Zeiten“ bestellt werden kann, bekommt jede Woche Post: Einen „echten“ Brief auf festem Papier, in schöner Farbe, persönlich gestaltet. Jeder Brief enthält Erfahrungsberichte und Anregungen, eine biblische Geschichte, die in die Situation von Fastenden spricht, dazu Gedichte und eine Karikatur. Eine schöne Begleitung in diesen Wochen.
Wie auch immer Sie die Passions- bzw. Fastenzeit begehen: Ich wünsche Ihnen alles Gute dafür und vielleicht die eine oder andere überraschende und hilfreiche Erkenntnis.
Herzliche Grüße, Ihre Pfarrerin Katrin Hildenbrand
Unsere Online-Leser können das Vorwort von Pfarrerin Hildenbrand hier auch als pdf-Datei lesen oder herunterladen.